Interview: Max Clouth - Brücke zwischen den Kulturen
Der Frankfurter Jazz-Musiker Max Clouth gilt als zeitgenössisches Paradebeispiel für die Verbindung von indischer Musik, deutschem Elektro und Jazz. Mit seinem neuen Album hat er eine spannende Synthese dieser Welten geschaffen.
Angefixt durch indische Musik, entschloss sich der deutsche Jazz-Gitarrist Max Clouth dazu, das große Risiko zu wagen und für seine musikalische Leidenschaft extra nach Indien zu ziehen, um dort zu studieren. Wir sprachen mit dem Fachmann für Synthese zweier Musikkulturen über ethnomusikalischen Brückenbau und sein neues Album Lucifer Drowning in a Sea of Light.
Stark geprägt von indischer Musik: Max Clouth
Foto: Robert Zolles
Dein neues Album vereint westliche Gitarrenklänge, elektronische Elemente und indische Musik miteinander. Woher beziehst du die Inspiration für so eine Mischung?
Was die Klangfarbe betrifft, ist das Album relativ elektronisch ausgefallen. Ein modularer Synthesizer hat eine sehr tragende Rolle gespielt. Ich habe mich in letzter Zeit tatsächlich sehr stark mit elektronischer Musik und verschiedenen Formen elektro-akustischer Klänge beschäftigt. Das ist sehr spannend, weil es viel mit deutscher Musikkultur - von Stockhausen bis Kraftwerk oder Can bis hin zu Techno und Drum'n'Base - zu tun hat. Kabuki, der auf dem Album Synthesizer spielt, ist eben so eine Drum'n'Base-Instition aus Frankfurt. Elektronische Musik und elektronische Klangerzeugung sind für mich unglaublich spannende Themen und ich habe das Gefühl, dass diese Elemente sehr gut zu meiner Art Gitarre zu spielen passen und sie als Klangfarbe gut kontrastieren. Traditionelle türkische Maqam-Musik, ist für mich in den letzten Jahren immer wichtiger geworden. Auch das hat mit Deutschland sehr viel zu tun, weil die türkische Community hier sehr präsent ist. Dabei habe ich aber das Gefühl, dass wir im Normalfall nur ganz wenig über deren Kultur wissen. Für mich lag es nahe, mich durch die Musik mit dieser Kultur zu beschäftigen. Ich habe das Gefühl, dass man Leute sehr gut kennenlernt, wenn man sich mit deren Musik beschäftigt.
Die A-Seite deines Albums klingt sehr strukturiert und songorientiert, während die B-Seite einen starken Improvisations-Charakter hat.
Ja, das stimmt. Die A-Seite war geprobt, die B-Seite nicht. [lacht] Es gibt eine Platte von John McLaughlin – der mich die letzten Jahre sehr beeinflusst hat – namens My Goals Beyond. Sie ist sehr konzeptuell angelegt – typisch Anfang 70er. Auf der A-Saite gibt es ein Ensemble, das dem Mahavishnu Orchestra ähnelt, aber akustisch ist. John McLaughlin spielt dort akustische Gitarre und wird von einem akustischen Bass, Tablas und einer Geige begleitet. Auf der ersten Seite des Albums findet man zwei lange Ensemble-Jams, während sich auf der B-Saite Sologitarrenstücke befinden. Ich fand dieses Konzept super und habe mein Album, das man über meine Homepage [www.maxclouth.com] kaufen kann, auch speziell für Vinyl geschrieben. Die Zeit, die man benötigt, um die Platte umzudrehen, ist sozusagen Teil der Musik, weil man eine Atempause braucht.
Akustikgitarre trifft auf Cello und Synthesizer: Lucifer Drowning in a Sea of Light
Du bist auch extra nach Indien gezogen, um dort Musik zu studieren?
Ja, zuerst habe ich aber in Mainz und Dresden Jazzgitarre studiert. Während dieser Zeit habe ich schon angefangen, mich total für indische Musikkultur zu interessieren. Natürlich hatte ich zunächst keine Ahnung, wie ich mehr darüber lernen konnte. Es gibt zwar Youtube-Videos dazu, das war aber nicht das Wahre. Ich hatte Glück und habe während eines kurzen Indienurlaubs einen Musiker kennengelernt, der dann mein Lehrer wurde. Als ich in Dresden mein Diplom gemacht habe, hatte ich länger überlegt was ich als nächstes machen sollte. Ich wollte weiterstudieren und wusste, dass mich indische Musik interessiert. Es gibt eine Art Weltmusikhochschule in Rotterdam in den Niederlanden, bei der ich überlegt hatte, weiter zu studieren. Zum Glück hatte ich mich dagegen entschieden und bin stattdessen direkt nach Indien gezogen. Da waren verschiedene Motivationen ausschlaggebend. Zum einen wollte ich weg aus Deutschland, bzw. weg aus Mitteleuropa und einen anderen Kulturkreis erfahren. Zum anderen dachte ich: „Wenn ich die Musik wirklich kennenlernen will, muss ich da hin, wo sie herkommt.“ Das war eine sehr prägende Erfahrung und es war auch nicht immer ganz einfach. Am Ende war ich drei Jahre in Mumbai. Für mich war es absolut die richtige Entscheidung, weil sich damals so viel für mich in Bewegung gesetzt und erklärt hat. Die Möglichkeit, eine Art Musik zu machen, die ganz fremd und doch relativ nah ist, war im Rückblick total wichtig für mich. In der indischen Musik liegt der Schwerpunkt auch auf Improvisation, allerdings ist es natürlich eine ganz andere Form des Improvisierens.
Damals war ich aber elf Jahre jünger und ein bisschen blauäugig. Es hätte auch alles total schiefgehen können. [lacht] An solche Konsequenzen dachte ich damals noch nicht. Ich würde das nicht jedem empfehlen, es so zu machen. Für mich war es rückblickend aber das Richtige.
Deine Gitarre ist sehr interessant. Sie vereint auf den ersten Blick einen traditionellen Hals einer Konzertgitarre, einen bundlosen Hals und Resonanzsaiten. Was steckt hinter dem Modell?
Der bundlose Hals ist ein bisschen wie eine Mischung aus dem Sarod, einem bundlosen Instrument aus Indien, und einer arabischen Oud. Weil es jede Saite aber nur einmal gibt, ist die Klangfarbe etwas anders als bei der Oud.
Philipp Neumann, ein sehr auf Klassische Gitarren spezialisierter Gitarrenbauer, hat sie mir gebaut. Klassische Gitarren sind in der Bauweise total formatiert, weswegen Philipp ungefähr alle zwei Jahre etwas ganz anderes machen will. Ich habe ihn zum Glück in genau so einer Phasen kennengerlernt.
Damals hatte ich schon die Idee einer Doppelhalsgitarre mit Resonanzsaiten. Philipp war sofort Feuer und Flamme und wir sind uns schnell einig geworden, zusammen so ein Instrument zu entwickeln. 2017 hat mir Philipp auch eine E-Gitarre mit dem gleichen Konzept gebaut. Ich spiele sozusagen zwei Schwesterngitarren, die der gleichen Idee folgen.
Custom-Gitarre von Philipp Neumann
Foto: Manuel Wälder
Die Planung war bestimmt nicht einfach.
Das stimmt. Die Resonanzsaiten führen quer über die Decke, weswegen die Stimmmechaniken über die ganze Seite eingelassen sind. Als Gitarrist denkt man nicht an solche technischen Sachen. Was Philipp da gemacht hat, war planerisch genial. Ich habe die Gitarre nun seit 10 Jahren und es hat sich nichts verändert. Trotz harten Einsatzes hat sich weder die Decke verbogen noch hat sich sonst etwas verzogen.
Die Gitarrensaiten sind vermutlich in Standard-Stimmung. Wie sieht es mit dem Rest aus?
Genau, der bundierte Hals ist ganz normal. Die Sarod-Saiten sind in Drop-D ohne A-Saite gestimmt. Das habe ich mir ein bisschen von der Oud übersetzt. Dort gibt es immer eine Basssaite, die als Referenz-Drohne gilt, und oft auf C oder D gestimmt ist.
Die zwölf Resonanzsaiten sind gerade auf D-Dorisch gestimmt sind. Das hängt aber von der Musik ab, die ich gerade spiele. Manchmal stimme ich sie auch anders. Wenn ich Musik spiele, die im weitesten Sinne modal funktioniert, suche ich mir die passenden Skalen oder Ragas heraus und stimme die Resonanzsaiten darauf. Bei eher weniger modaler Musik versuche ich, eine gute Schnittmenge aus den wichtigen Tönen im Konzert zu finden und stimme die Saiten entsprechend.
Wie unterscheidet sich dein Spiel auf der elektrischen von der akustischen Gitarre?
Meine Art zu spielen kommt sehr stark von der Akustikgitarre, weil ich auch auf der E-Gitarre alle Töne anschlage. Tendenziell spiele ich nicht so viel wie virtuose Gitarristen. Tappings oder Sweeps sind mir als Spieltechniken nicht so nahe. Stattdessen spiele ich mit einem eher traditionellen Ansatz E-Gitarre. Man könnte sagen, dass ich versuche, nur Sachen zu spielen, die ich auch ohne Verzerrung spielen kann. Verzerrung ist ein geiler Effekt und es gibt Leute, die damit wahnsinnige Sachen machen. Mein Gefühl war aber immer so zu spielen, dass es zur Not auch ohne Effekte geht.
Text: Lukas Lautenbacher