Die 10 einflussreichsten Gitarristinnen aller Zeiten
In vorliegendem Special möchten wir euch 10 Gitarristinnen vorstellen, die die Welt der Gitarrenmusik so maßgeblich beeinflusst haben wie sonst niemand – und das in einem Umfeld, dass nicht nur in der Vergangenheit sondern bis heute hauptsächlich Männer-dominiert war und ist. Auch geht es uns hier nicht um die „hottest chicks“, wie man das manchmal liest, sondern um die „hottest chops“. Denn: Geil Gitarre spielen zu können, hat nichts mit dem Geschlecht zu tun …
Memphis Minnie
Sich in einer Männerdomäne durchzusetzen, war nie leicht. Nicht jetzt und schon gar nicht vor knapp hundert Jahren, als Memphis Minnie sich aufmachte, den Jungs zu zeigen, wer den Blues hat. Sie spielte auf der Beale Street in Memphis und verdiente ihren Lebensunterhalt zeitweise gezwungenermaßen mit Prostitution. Nicht zu vergessen, damals war ihr Geschlecht nicht mal ihr größtes „Problem“, als Afroamerikanerin war sie ohnehin schon gesellschaftlichen Repressalien ausgesetzt, ganz konkret blankem Rassismus. Unter diesen Umständen als Musikerin zu wachsen und Erfolg zu haben, ist eine Jahrhundertleistung, die in der Anekdote des gewonnenen „cutting contests“ gegen Big Bill Broonzy letztlich einen symbolischen Charakter erhält. Da spielt Memphis Minnie gegen den Giganten Broonzy um eine Pulle Whiskey und eine Pulle Gin – und gewinnt! Memphis Minnie war nach Zeitzeugenberichten eine toughe und unabhängige Frau, die Kautabak liebte und sich gerne „ladylike“ gab, aber knallhart war, wenn es um ihre Interessen ging. Johnny Shines sagte über sie: „Sie ließ sich von keinem was gefallen. Gitarren, Messer, Pistolen, alles was sie in die Hand bekam, nutzte sie“. (sh)
Sister Rosetta Tharpe
Erste Erfolge verzeichnete Rosetta mit Gospel und war damit so erfolgreich, dass sie unter anderem als „the original soul sister“ bezeichnet wurde. Die Mischung aus spirituellen Texten und ihrem elektrischen Gitarrenspiel, sowie ihre spätere Hinwendung zum Rhythm’n’Blues machten sie zum Vorbild für Chuck Berry, Little Richard, Jerry Lee Lewis und Elvis Presley. Sie lud Little Richard zu sich auf die Bühne ein – Richards erster Auftritt außerhalb der Kirche. Später engagierte sie ihn, was Little Richard letztlich ins Musikbusiness brachte. Tharpe erfreute sich sowohl in der schwarzen als auch der weißen Bevölkerung größter Beliebtheit. Sie sang mit der weißen (!) männlichen (!!) Gruppe der Jordanaires und war die Lieblingssängerin von Johnny Cash. Und last but definitely not least, hat sie schon in den 1930er Jahren eine Gitarre an einem Amp angeschlossen – lange bevor Männer zu den Pionieren des Rock’n’Roll wurden – sie war die „Godmother of Rock’n’Roll“. Ein Artikel auf National Public Radio aus 2017 beschrieb ihre Wirkung wie folgt: „Der Rock’n’Roll entstand zwischen Kirchen und Clubs in der Seele einer queeren Schwarzen Frau namens Sister Rosetta Tharpe“. Was mehr könnte man über die wohl wichtigste Frau des Rock’n’Roll mehr schreiben? Hail to the Queen! (sh)
Bonnie Raitt
Bonnie Raitt war bereits seit den 1970er Jahren als Musikerin unterwegs und hatte sich mit Kollaborationen mit Bands wie Little Feat schon einen Namen in der Szene erspielt. Der kommerzielle Durchbruch blieb ihr
jedoch bis zu ihrem zehnten Album Nick Of The Time verwehrt, das sie schlagartig in die Oberliga katapultierte. Weitere Akzente setzte sie unter anderem mit John Lee Hooker auf seinem Comeback-Album The Healer und dem genialen Song „In The Mood.“ Ihrer rauchigen Stimme steht ihr Laid-Back-Gitarrenstil in nichts nach, besonders an der Slide-Gitarre weiß sie zu begeistern, weshalb sie auch bis heute ein gern gesehener Gast bei hochkarätigen Blues-Veranstaltungen wie dem Crossroad-Festival von Eric Clapton ist. Als erste Künstlerin hat Bonnie Raitt auch ein Fender-Signature-Modell maßgeschneidert bekommen, dass sich an ihrer Stratocaster „Brownie“ orientiert, die sie seit 1969 spielt. (os)
Nancy Wilson (Heart)
In den ’70ern ist die Position des Bandleaders und Frontmanns in der Rockmusik nahezu reine „Männersache“. Eine der wenigen Ausnahmen bildet hier Nancy Lamoureux Wilson (Gesang & Gitarre – geboren am 16.3.1954), die gemeinsam mit ihrer Schwester Ann Wilson (Gesang & Flöte) in wechselnder Besetzung Ende der Sechziger unter dem Banner The Army, später White Heart und Anfang der Siebziger schließlich als Heart firmieren. Nancy und ihrer Schwester kommt dabei ihr großes Interesse für Folk, Progressive, Rock und Blues zu Gute. In den Siebzigern räumt Nancy meist auf ihrer blauen 1963er Fender Telecaster als singende Frontfrau und Songwriterin ab. Sie ist aber auch häufig mit ihrer Martin HD-35 und ihrer 1968er Gibson SG mit einem P-90 zu sehen. Vier Jahrzehnte später hat Nancy gemeinsam mit ihrer Schwester Ann Wilson dabei mal eben 22 Top-40-Hits auf ihren sechs Saiten geschrieben (darunter „Baracuda“, „Alone“ und „Dreamboat Annie“) und insgesamt 30 Millionen Alben verkauft. Nancys Einfluss als Gitarristin, Songwriterin und Frontfrau ist dabei bis heute nahezu ungebrochen. (mth)
Jennifer Batten
Den meisten sollte Jennifer Batten wohl als gitarrenschwingender Sidekick von Michael Jackson bekannt sein. Als einzige von 100 Gitarristen hat sie sich durchgesetzt und durfte sowohl Rhythmus- als auch Lead-Gitarre auf allen drei Welttourneen von 1987 bis 1997 übernehmen und legendäre Soli wie „Beat It“ zum Besten geben. Dieses wurde übrigens von Eddie Van Halen nachweislich in mehreren Teilen einspielt und erst nachträglich zusammengefügt, Jennifer Batten spielte es auf der Bühne an einem Stück und verschob damals bereits die Grenze des Machbaren auf der Gitarre. 1998 trat sie der Jeff-Beck-Band bei und setzte mit ihrem Fusion-getränkten Gitarrenspiel weiterhin musikalische Akzente. Ihr unglaubliches musikalisches Fachwissen, dass sie sich als eine der ersten Absolventinnen an dem renommierten Guitar Institute Of Technology in Hollywood, Los Angeles erworben hat, gibt sie bis heute in vielbeachteten Lehrbüchern und -videos weiter. (os)
Joan Jett (The Runaways, The Blackhearts)
„Mädchen spielen keinen Rock’n’Roll.“ Diesen Satz musste sich die dreizehnjährige Joan Jett beim Gitarrenunterricht anhören. Nur drei Jahre später beweist sie allen das Gegenteil, als sie für The Runaways als Gitarristin auf der Bühne steht und punkige Hardrock-Riffs durch den Verstärker brettern lässt. Die Runaways teilen sich die Bühnen mit Bands von Van Halen bis zu den Ramones bevor sie sich 1979 auflösen. Aber eine Band muss sein: Nachdem sie ihr eigenes Label Blackheart Records gründet (und damit die erste Frau mit eigenem Label wird), folgt kurz darauf die Gründung ihrer eigenen Band Joan Jett & The Blackhearts. Mit ihrem rotzfrechen Sound und ihrer Gibson Melody Maker ist Jett eine Vorreiterin der Riot-Grrrl-Bewegung und ein Vorbild für jede junge Frau, die trotz aller Widrigkeiten Bock auf Rock’n’Roll hat. (bw)
Rebecca & Megan Lovell (Larkin Poe)
Dieses aus Atlanta im US-Bundestaat Georgia stammende Rock-, Blues- und Soul-Power-Duo macht nun schon seit beinahe zwei Jahrezehnten von sich Reden. Gestartet als Bluegrass-und-Americana-Trio The Lowell Sisters (damals noch mit ihrer Schwester Jessica Lowell) firmieren Rebecca (Gesang, Gitarre) & Megan Lowell (Gesang & Lapsteel) seit 2010 nur noch als Duo unter dem Banner Larkin Poe. Während Rebecca sich als außerordentlich vielseitige Sängerin und Gitarristin meist auf ihrer ’70s Strat, Jazzmaster, diversen Akus und Resonatoren austobt, legt Megan ihre geschmackvollen Lapsteel-Leads mit ihrer Rickenbacker-Lapsteel unter die Songs der beiden. Egal ob auf YouTube, á capella auf den Socials oder an der Seite von Größen wie Billy Gibbons und Elvis Costello, diese beiden Powerfrauen schaffen es sogar mit ihren Coversongs („John The Revelator“) bis in die Soundtrack-Liga erfolgreicher Fernsehserien wie Lucifer. Dass ihre megastarken Eigenkompositionen wie „Holy Ghost Fire" oder „Preachin’ Blues“ dabei keineswegs hinter denen ihrer großen Vorbilder zurückstehen, beweisen die beiden Geschwister immer mit einer eindrucksvollen Konsistenz. (mth)
Annie Clark (St. Vincent)
Wer sich Sorgen macht, dass das in den ’60er und ’70er Jahren entstandene Bild des Gitarrenhelden, wie es Hendrix, Page, Blackmore und Co. geprägt haben, heutzutage verloren gegangen ist, der sollte Annie Clark – besser bekannt als St. Vincent – einmal live spielen sehen. Auch wenn ihre verwinkelten Fuzz-Riffs nicht allzu viel mit Classic-Rock gemein haben, sprüht ihre extravagante Performance nur so vor Hedonismus. Diese Frau kann nicht nur Gitarre spielen, sie lässt es auch jeden wissen! Der Gitarrenhersteller Music Man hat das schnell erkannt und ihr eine ausgefallene Signature-Gitarre gewidmet, die genauso aussieht, wie ihre Musik klingt. Live lässt sie sich für jeden Song ihre Gitarren in einer anderen Farbe reichen und schaut damit nicht nur cool aus, sondern unterstreicht auch den konzeptionellen Ansatz ihrer Musik. Von ihren Anfängen mit kantigem, verkopften Indie-Rock (Marry Me, Actor, Strange Mercy), über elektronisch angehauchten Avantgarde-Pop (St. Vincent, MASSEDUCTION) bis hin zu ihrer aktuellen Platte Daddy's Home, wo sie dem Soul und Funk der Siebzigerjahre huldigt, zieht St. Vincent ihre gitarristische Vision zu hundert Prozent durch. Mit Einflüssen die sich im sehr weiten Feld zwischen Motown und Tool befinden, ist Annie Clark musikalisch genauso wandlungsfähig, wie die heutigen Zeiten es verlangen und damit eine moderne Gitarren-Heldin für das 21. Jahrhundert. (bw)
Lzzy Hale (Halestorm)
1983 geboren begann Lzzy Hale (geborene Elizabeth Mae) ihre Gitarrenkarriere im zarten Alter von gerade mal 15 Jahren. Das Jahr 1997 war es nämlich, in dem sie gemeinsam mit ihrem Bruder Arejay die Band Halestorm gründete, in der sie seitdem die Position als Sängerin und Gitarristin besetzt. Das selbstbetitelte Debütalbum ließ allerdings nochmal 12 Jahre auf sich warten. Mit The Strange Case Of … legt man dann aber bereits 2012 einen Nachfolger nach, der der Band mit dem Song „Love Bites (So Do I)“ auch direkt einen Grammy einbrachte. Als eine der wenigen Frontfrauen im Rockbereich, die zeitgleich auch noch die Saitenfraktion übernimmt, ist Lzzy zurecht stolz auf ihre Vorbildrolle. In Interviews spricht sie darüber, wie ihre Mutter sie im Teenager-Alter an ihre großen Heldinnen des Rock wie Lita Ford, Suzie Quattro, Stevie Nicks, Janis Joplin oder Blondie heranführte. Erfolgreiche Frauen, die Lzzy den nötigen Mut gaben, ihren Traum zu verfolgen, wann immer ihr von Männern gesagt wurde, sie könne als Frau in diesem Business keinen Erfolg haben. Mittlerweile hat Lzzy mit Halestorm nicht nur vier Alben veröffentlicht, sondern auch auf Veröffentlichungen von Künstlern wie Black Stone Cherry, Stone Sour, Eric Church und vielen mehr mitgewirkt. Sie wurde dieses Jahr zum ersten weiblichen Brand-Ambassador von Gibson, mit denen sie auch die Limited Edition Lzzy Hale Explorer designt hat. (ap)
Nita Strauss (Alice Cooper)
Wie so viele Musikerinnen und Musiker begann auch Nita Strauss bereits im Teenageralter mit ihrer Karriere als Gitarristin und brach sogar die Schule ab, um sich dem Gitarrespielen in Vollzeit zu verschreiben. Legte Nita zunächst noch bescheiden mit ihrer eigenen Band Lia-Fail los, machte sie bald mit ihrem Engagement in der Iron-Maiden-Tribute-Band The Iron Maidens von sich reden, denen sie sich im zarten Alter von 24 Jahren anschloss. Im Jahr 2014 startete Strauss dann richtig durch. In der Band des Football-Teams von Paul Stanley und Gene Simmons Los Angeles Kiss besetzte sie die Gitarrenposition. Auch löste sie Orianthi in der Band von Alice Cooper ab, den sie seither live wie im Studio an den sechs Saiten unterstützt. 2018 finanzierte sie via Kickstarter ihr erstes Soloalbum Controlled Chaos – das Funding hierfür erreichte sie in nur zwei Stunden. Außerdem ist Nita Strauss die erste Gitarristin überhaupt, die bei Ibanez als Signature-Artist unterschrieb und mit der JIVA 10 ihr eigenes Signature-Modell auf den Leib geschneidert bekam. Vielleicht mehr als viele andere Gitarristinnen lebt sie auf der Bühne den überlebensgroßen Rock’n’Roll-Superstar voll aus – eine Bühnen-Persona, die eindrucksvoll verdeutlicht, dass Headbangen, Gitarren-Grimassen und blutende Hände nichts mit dem Geschlecht zu tun haben. (ap)
Damit nicht nur die Männer der guitar-Redaktion ihre Meinung zu diesem Thema abgeben, haben wir auch einige weibliche Kommentare aus dem guitar-Dunstkreis zu diesem Thema eingeholt …
Isabell Bittner (Autorin)
Vielleicht sind Gitarren (noch) eine Männerdomäne, aber die Frauen holen stetig auf und beweisen Gefühl, Power und Talent. Neben den Platzierungen hier gibt es noch so viele einflussreiche Damen – beispielsweise die beiden Lovell-Schwestern von Larkin Poe, die den Blues der alten Männer entstauben und mit viel Talent an E- und Slide-Gitarre in die Moderne holen. [völlig richtig Isa, die wären uns beinahe durchgerutscht. – d. Red.] Oder Orianthi, die nicht nur Santana, Michael Jackson und Alice Cooper überzeugt hat. Auch jemand wie The Great Kat beweist, dass auch Ladies die Tacho- und Kuriositätennadel bis zum Anschlag durchtreten und mit den Testosteron-Flitzefingern mithalten können. So viele Vorbilder für neue Talente. Ich freue mich zu sehen, wenn aus dem Musikladen um die Ecke der Vater seiner Teenie-Tochter eine E-Gitarre ins Auto trägt. (ir)
Jasmin Papst (JJ's One Girl Band)
Eine richtig tolle Zusammenstellung! Tatsächlich tue ich mir persönlich immer schwer mit „Top 10s“. Bekanntlich ist das immer subjektiv und besonders Künstler kann und sollte man nicht vergleichen. Mir würden spontan noch Jen Majura, Yvette Young, Sarah Longfield, Orianthi, Yasi Hofer und Tina S einfallen – alle aus unterschiedlichen Gründen. Jen ist ein wunderbarer energiegeladener Mensch voller Groove – einfach so dermaßen inspirierend! Yasis Feingefühl für Kompositionen und Ton ist unvergleichlich. Yvette Young und Sarah Longfield sind Ausnahmekünstlerinnen – bekannt geworden u.a. durch YouTube. Ihr Stil ist einzigartig und sehr modern. Tina S mag zwar für ihre Cover bekannt sein, allerdings spielt sie in ihren jungen Jahren so grenzgenial – ein tierischer Motivationsschub! (jp)