Slick Guitars SL-55 SG: Rock’n’Roll-Brett für die Straße (guitar Test)
Earl Slick Gitarren mit Namen: Slick Guitars
Earl Slick bringt nicht erst seit gestern Gitarren unter dem Banner Slick Guitars auf die Straße, allesamt knallhart reduzierte Rock-Maschinen ohne Schnickschnack, aber interessanten Features. Die brandneue SL-55 in Surf Green macht da keine Ausnahme.
Die komplette Guitar-Dreams-Strecke findet ihr in guitar-Ausgabe 08/2021 – die Ausgabe könnt ihr direkt bei uns im PPVMedien-Onlineshop bestellen!
E-Gitarre im Vintage Look
Man kann es drehen und wenden wie man möchte, die klassischen Formen haben auch abseits der Vintage-Jünger-Gemeinde, die nur die Originale liebt, eine klare Berechtigung. Vor allem, wenn sie derart frisch aus den Hufen kommen, wie Earls neue T-Style in Surf Green. Earl weiß seit seiner Arbeit mit David Bowie, Yoko Ono oder den beiden Stray-Cats-Tollen Slim Jim Phantom und Lee Rocker, worauf es ankommt. Und genau das setzt er bei Slick Guitars kompromisslos um.
Die SL-55 SG ist im klassischen T-Style-Design gehalten, verzichtet auf Shapings und Konturfräsungen ebenso wie auf ein Schlagbrett – und das schaut superlässig aus. Zumal der Korpus mit einem wirklich dünnen Finish versehen wurde. Selbiges hat man angenehm dezent gealtert, so dass einen hier keine komplett zerhauene Gitarre anlacht, sondern eine, die dem Look und den Esprit eines gerne und viel gespielten Instruments versprüht. Das komplette Finish ist nicht auf Hochglanz poliert, auch die Halsrückseite ist mit einem griffigen Matt-Finish versehen.
Der Trussrod wurde von oben eingesetzt, daher findet sich rückseitig auch kein skunk stripe. Als Griffbrettholz kommt Jatoba zur Anwendung. Im Zuge der CITES-Aufregung rund um Palisander haben viele Hersteller nach Alternativen gesucht – und gefunden. Jatoba war eine gute Wahl, das angenehm dunkle nussig-braune Holz passt mit seiner engen Maserung erstklassig. In besagtem Jatoba-Griffbrett mit untypischer „Gibson“-Mensur von 24,75 Zoll finden sich 22 Bundstäbchen mittleren Formats, die allesamt sauber verrundet und poliert wurden. Auch der in dieser Preisklasse oft vernachlässigte letzte Schliff der Bund-Enden an der Griffbrettkante ist hier wirklich tadellos erledigt worden. Die Bundfüße hat man ausgeklinkt, die Bundschlitze an den Enden verfüllt – so geht das, wenn man nicht von oben fräst, sondern klassisch sägt.
Gitarre SL-55 in Surf Green - Messing macht’s!
Der Verfasser dieses Texts ist ein großer Freund der Wraparounds, steht diese Brückenkonstruktion für mich doch exemplarisch für eine knackige Ansprache und ein direktes Attack. Dieses „Vorurteil“ bestätigt die SL-55 SG par excellence! Die Messing-Bridge ist in den Korpus eingelassen, was einerseits sehr wertig ausschaut, aufgrund der Parallelität von Decke und Griffbrett aber auch zwingend notwendig ist. Wir erinnern uns, eine Les Paul Junior hat einen nach hinten gewinkelten Hals, die Slick hat das nicht. Um die Saitenlage entsprechend realisieren zu können, ist das Einlassen der Brücke ein Kniff, der obendrein noch optisch hervorsticht. Stilsicher ist auch die konsequente Verwendung von Messing, sei es bei der Brücke selbst oder bei den Tuner-Knöpfen, dem alleinstehenden Volume-Poti oder dem Toggle-Switch samt Überwurfmutter – Messing, wohin das Auge blickt.
Dessen matte Oberfläche passt dann auch optisch hervorragend zum gealterten Surf Green, Chrom gibt’s nur bei den Mechaniken und natürlich den beiden Filter-Tron-Varianten aus dem Hause Guitar Fetish. Die beiden GF’Tron Hard Vintage Alnico V an Brücke und Steg sind typische Vertreter ihrer Art, aber mit ordentlich Attack unter der Kappe. Im Clean-Bereich perlt vor allem der Steg-Kollege mit beeindruckender Brillanz, der Hals-GF’Tron agiert deutlich wärmer, mein Favorit, auch wenn’s vorhersehbar war, ist die Mittelposition, gerade im Clean-Bereich, sei es am Vox AC15 mit Greenback oder dem Mitt-90er-Bedrock-1000-Series-Topteil an der 4x12er mit Vintage 30s. Hier paart sich die stegseitige Brillanz mit dem bauchigen Ansatz des Hals-Tonabnehmers – eine verdammt gute Kombination!
Ganz ohne Schmutz im Klanganteil agiert dass Volume-Poti effektiv und passt die Lautstärke ebenfalls an. Bewegt man sich klanglich in angezerrten und crunchigen Gefilden, dann blühen die GF’Trons sogar noch eine Spur weiter auf. Der helle und transparente Klangcharakter bleibt, die Kompression des Amps lässt die Töne in Kombination mit dem direkten Attack der Slick wie eine Eins nach vorne schnalzen, und dort stehen sie dann!
Eins muss klar sein: die GF’Trons wollen Roots, Rock’n’Roll, Rockabilly, Blues und Classic Rock, das ist ihre Spielwiese, hier spielen sie alle Trümpfe aus. Selbst bei High-Gain-Sounds, die tatsächlich toll klingen, wird einfach kein Metal daraus, dafür bleibt die Slick stets zu luftig. Zugegeben, das dürfte auch nicht die Zielsetzung der SL-55 SG gewesen sein, dafür gibt’s bei Slick andere Modelle, etwa die SL54T oder die SL52 – die Power-Strat-Style und LP-Style im Slick-Reigen. In der Gesamtbetrachtung hat man bei mehr Verzerrung immer das Gefühl, dass Billy Gibbons demnächst um die Ecke schlenzt. Der Ansatz, Luftigkeit mit Attack und Gain zu verbinden, das würde dem Reverend sicher gefallen. Der Preis, ach ja, davon war noch gar nicht die Rede … der ist mit rund 330 Euro unverbindlicher Preisempfehlung so fair, dass man bedenkenlos zugreifen kann.
Das bleibt hängen
Die Slick SL-55 SG ist ein tierischer Ast für alle, die auf kompromisslose Rock’n’Roll-Gitarren stehen – kein Schnickschnack, Top-Hardware, tolle Pickups, die Verarbeitung und Werkseinstellung sind klasse und zu alledem trifft sie den optischen Nerv des Testers, wie die Faust aufs Auge. Keine Einwände, volle Punktzahl und somit zurecht unser Preis-Leistungs-Sieger dieser Ausgabe. Give it a try!
Text: Stephan Hildebrand
Fotos: Bruno Wolf