Sterling StingRay RAY35HH: Der Mega-Rochen im Testbericht
Sterling StingRay RAY35HH: Der Mega-Rochen
Der StingRay hat den Sound aktiver Bässe quasi im Alleingang geprägt – mit dem RAY35HH haben wir es mit einer in jeder Hinsicht hochgezüchteten Version des klassischen Bassdesigns zu tun.
Der Bass kommt in ein gut gepolstertes Gigbag gepackt und ist nach den in letzter Zeit sehr präsenten Short-Scale-Instrumenten (siehe guitar 10/22 und 03/23) eine willkommene Abwechslung. Mit seiner 34“-Mensur und der zusätzlichen Saite haben wir es mit einem entsprechend großen und schweren Bass zu tun – aber keine Sorge. Am Gurt hängt der StingRay angenehm und gut ausbalanciert.
Der neue Sterling StingRay RAY35HH (Bild: Bruno Wolf)
Gestocktes Holz
Optisch macht der in Indonesien gefertigte Bass einen sowohl ästhetisch als auch qualitativ sehr guten Eindruck. Das Finish unseres Testmodells nennt sich „Natural Burl Satin“, bei dem sich ein schwarzer Rand um eine Decke aus „Spalted Maple“ schließt. Dabei handelt es sich nicht etwa um eine eigenständige Ahornsorte, sondern um eine Art der Verarbeitung, bei der das Holz kontrolliert von einer bestimmten Pilzsorte befallen wird, die die Maserung stärker hervorhebt. Das klingt erstmal seltsam, macht optisch aber definitiv einiges her und hat klanglich wohl eher keinen sonderlich großen Einfluss, da der eigentliche Korpus aus Nyatoh- (oder auch Nato-)Holz besteht. Bei den ebenfalls erhältlichen Farbvarianten Daphne Blue, Stealth Black und Pearl White besteht der Korpus dagegen aus Mahagoni.
Das Design des Fünf-Saiters unterscheidet sich an einigen Stellen von der viersaitigen Version, so wirken etwa die Cutaways etwas konturierter und das Pickguard weicht von der klassischen „Ei“-Form ab und umschließt auch die Regler – es besteht jedoch zu keinem Zeitpunkt ein Zweifel daran, dass es sich auch hier um einen StingRay handelt. Besagtes Pickguard besteht bei der vorliegenden Finishvariante aus transparentem Kunststoff, was einerseits den Blick auf die Holzmaserung ermöglicht (und diese vor Kratzern schützt) und dem Bass gleichzeitig einen sehr modernen Look verpasst.
Sterling StingRay RAY35HH: Hier ist die Maserung der Spalted-Maple-Decke gut zu sehen (Bild: Bruno Wolf)
Halsinspektion
Der Hals des RAY35HH besteht genau wie beim RAY34 aus guitar 10/22 aus geröstetem Ahorn. Das Rösten beziehungsweise
Torrefizieren von Holz sorgt dafür, dass dieses quasi künstlich „altert“ und dadurch stabiler, leichter und auch resonanter werden soll. Ein schöner Neben-effekt dieses Prozesses ist die karamellfarbene Tönung die das Holz dadurch erhält. Der Hals ist matt lackiert und aufgrund der fünften Saite natürlich etwas breiter als bei Viersaiter-Bässen. Um dennoch eine gute Bespielbarkeit zu ermöglichen, liegen die Saiten etwas näher beieinander und das Halsprofil ist ein angenehm flaches C. Die Halskrümmung lässt sich wie bei Music Man und Sterling typisch mithilfe eines kleinen Rädchens am Hals-Korpus-Übergang und dem beigelegten Metallstäbchen sehr unkompliziert einstellen. Die Saiten führen über einen Sattel aus Kunststoff zur asymmetrischen Kopfplatte die statt der tyischen 3-zu-1-Aufteilung eine 4-zu-1-Aufteilung aufweist, wobei ein Saitenniederhalter die A- und D-Saite unten hält. Die Saiten klingen mit gleichmässigem Sustain, „Dead Spots“ lassen sich nicht feststellen. Auf der gegen-überliegenden Seite des Instruments findet sich eine wuchtig anmutende Bridge mit vier einzelnen Saitenreitern, die sowohl die Einstellung der Oktavreinheit, als auch der Saitenlage der einzelnen Saiten erlauben.
Eine typische 4+1-Kopfplatte ziert den Sterling StingRay RAY35HH (Bild: Bruno Wolf)
Herzstück
Das Herzstück eines jeden StingRay ist der charakteristische aktive Pickup – der RAY35HH hat gleich zwei davon. Die beiden AlNiCo-Humbucker mit den jeweils insgesamt zehn Pole-Pieces können mithilfe dreier Schrauben sowohl in der Höhe als auch in der Ausrichtung eingestellt werden. Wo die StingRay-Variante mit nur einem Pickup klanglich bereits enorm flexibel war, haben wir es hier mit dem reinsten Klang-Schlaraffenland zu tun. Mithilfe des Fünf-Wege-Schalters lassen sich folgende Pickup-Konfigurationen anwählen:
Steg (Humbucker)
Steg + Hals (jeweils die äußere Spule)
Steg + Hals (Humbucker)
Steg + Hals (jeweils die innere Spule)
Hals (Humbucker)
Diese umfangreiche Klang-auswahl wird durch die aktive Drei-Band-Tonregelung komplettiert. Die drei Regler unterhalb des Volume-Potis rasten in der neutralen Position leicht ein und können anders als bei einer passiven Tonblende, die lediglich hohe Frequenzen filtert, Bass-, Mitten- und Höhen-Frequenzen entweder erhöhen oder verringern.
Sterling StingRay RAY35HH: Der Mega-Rochen (Bild: Bruno Wolf)
Praxistest
Auch wenn der Übergang von einem Viersaiter-Bass auch bei den bereits vertrauten Saiten aufgrund der geringeren Abstände zwischen den Saiten zunächst einer kurzen Umgewöhnungsphase bedarf, fühlt man sich auch dank der guten Werkseinstellung schnell wie Zuhause. Die Saitenlage hätte man bei der tiefen B-Saite eventuell etwas höher ansetzen können, der Tester hat allerdings auch einen recht groben Anschlag, was diese Kritik eher zur Geschmacksfrage macht.
Am Verstärker angeschlossen, tönt es genauso mächtig aus den Speakern, wie es der äußere Anschein dieses Instruments suggeriert. Gehen wir also unsere Klangoptionen durch: In der ersten Position gibt es den typischen StingRay-Sound – knurrig, präsent, definiert und da die beiden Spulen des StingRay-Humbuckers nicht in Reihe (wie etwa bei typischen Gitarrenhumbuckern) sondern parallel geschaltet werden, bekommt der Klang seinen charakteristischen, leicht ausgehöhlten Sound. (Dies ist in der Theorie beispielsweise vergleichbar mit der Mittelposition bei einer Telecaster, doch nun genug mit den Gitarrenvergleichen, schließlich ist das hier ein Bass-Test!) Die Position 2 und 4 mit den beiden äußeren beziehungsweise inneren Spulen haben einen beinahe gläsernen, offeneren Charakter, der ein bisschen weniger druckvoll daherkommt, sich dafür aber umso schöner für filigrane Solo-Linien anbietet, wenn der Bass ein bisschen Luft im Mix hat. Der Unterschied zwischen den beiden Einstellungen ist subtiler Natur, Position 4 ist insgesamt präsenter und etwas mittenbetonter. Position 3 mit beiden Humbuckern nimmt den glasigen Charakter der beiden anderen Zwischenpositionen dreht dabei nochmal ordentlich auf, für einen wuchtigen, aber zugleich immer definierten und perkussiven Sound, der sehr modern daherkommt und sich von Pop bis Metal Zuhause fühlen dürfte. Der Bridge-Humbucker alleine rundet das Klangpaket dann mit einem knurrigen, definiert-dumpfen Sound ab, der besonders dann praktisch wird, wenn zumindest Vintage-orientierte Klänge von Nöten sind.
Mit Hinzunahme des 3-Band-EQs lassen sich die einzelnen Positionen nochmal auf den eigenen Geschmack und musikalische Umgebung anpassen. Besonders spannend ist hierbei auch das Zusammenspiel von EQ und dem Zerrgrad des Verstärkers. Wenn man beispielsweise die Mitten boostet, kann aus einem vorher noch fast cleanen Sound ein gefährliches Knurren werden – ganz ohne Effektpedale.
Der aktive Sterling StingRay RAY35HH wird mit einer gut zugänglichen 9-Volt-Batterie befeuert. (Bild: Bruno Wolf)
Das bleibt hängen
Der Sterling by Music Man Sting Ray RAY35HH ist ein auf jeder Ebene ernst zu nehmendes Instrument, das sich hervorragend bespielen lässt, gut verarbeitet ist und eine Fülle an Klangvariationen bietet, die Bassistinnen und Bassisten in den unterschiedlichsten Genres ansprechen dürften. Mit einer Straßenpreis von einem guten Stück unter 2000 Euro ist das in Anbetracht des Gebotenen ein starkes Preis-Leistungs-Verhältnis.
Bruno Wolf
Weitere Informationen findet Ihr unter https://intl.sterlingbymusicman.com
Mehr Testberichte findet Ihr unter: https://guitar.de/test-technik