Pentatonik – der gemeinsame Nenner: 5 Fakten
Unterhält man sich mit anderen Gitarristen, lässt sich schnell ein gemeinsamer Nenner in Punkto Sologestaltung finden. Die Moll-Pentatonik, Lieblingswerkzeug und Allzweckwaffe der Saitenfraktion. Aber wie funktioniert das ganze Pentatonik-System eigentlich? Wir haben fünf Fakten für euch.
Was ist eine Pentatonik?
Der Begriff Pentatonik lässt sich vom griechischen Wort „penta“ ableiten und beschreibt Fünfton-Musik, also Musik, der lediglich fünf verschiedene Töne zugrunde liegen. Als „Pentatonik“ lassen sich somit sämtliche Tonleitern mit fünf unterschiedlichen Tönen bezeichnen. Weltweit gibt es dutzende, wenn nicht sogar hunderte Variationen an Pentatoniken. In unserem westlich geprägten Kulturkreis dominieren allerdings Dur- und Moll-Pentatonik den musikalischen Alltag.
Fünf Töne für die Welt
Während traditionelle asiatische Musik ebenso wie die westliche Folklore auf dem Prinzip pentatonischer Skalen basiert, lassen sich rein klanglich kaum Gemeinsamkeiten zwischen diesen Musiktraditionen feststellen. So haben Klassiker wie „Old MacDonald Had a Farm“ oder „Oh Susanna“ kaum Ähnlichkeit zum japanischen Tonsystem. Das mag zum einen dem bei uns stark etablierten diatonischen System (Dur-Moll-System) geschuldet sein, zum anderen daran liegen, dass japanische Musik modal aufgebaut ist. Bei modaler Musik steht die Erzeugung bestimmter Klangfarben im Vordergrund, nicht klassische Akkord-Progressionen. Hierzulande kennt man Derartiges unter den Begriffen „Kirchentonarten“ oder „Modi“. Besonders beliebte japanische Fünfton-Skalen sind die hira-joshi-Pentatonik (1, 2, b3, 5, b6) und die iwato-joshi-Pentatonik (1, b2, 4, b5, b7). Für einen möglichst authentischen Klang kann man hier, wie auch im Blues, so genannte mikrotonale Bendings (meist Viertelton-Bendings) einbauen.
Hierzulande haben sich aber die beiden für unsere Ohren vertrauteren Skalen der Dur- und Moll-Pentatonik etabliert. Durch das Fehlen jeglicher Halbtonschritte ist es beinahe ein Ding der Unmöglichkeit, damit schlecht klingende Melodien zu spielen. Den Umstand hat sich auch Musikpädagoge und Komponist Carl Orff zu Nutzen gemacht und mit dem „Orff-Schulwerk“ rein pentatonische Kompositionen mit pentatonischen Instrumentengruppen für kleine und große Kinder ins Leben gerufen. Pentatonik nach Hausrezept ... Zurück zur gebräuchlichen Pentatonik für Gitarristen. Als Gitarrist sieht man sich oft in folgender Situation: Man steht in der Bandprobe und bekommt eine Akkordfolge präsentiert, über die man dann locker und munter solieren darf. Beliebte Optionen sind die Dur-Pentatonik von der ersten Stufe der Tonleiter (Tonika) oder die Moll-Pentatonik von der sechsten Stufe, also entsprechend der parallelen Moll-Tonart.
Über die Folge C-Dur, D-Moll, F-Dur und G-Dur ließe sich somit sowohl die C-Dur-, als auch die A-Moll-Pentatonik spielen. Beide Skalen besitzen zwar die gleichen Töne, klingen in der realistischen Umsetzung allerdings durchaus verschieden. Bei klassisch-gitarristischem Moll-Pentatonik-Einsatz kommt es garantiert immer zu einem wohlig-vertrauten Blues-Ambiente. Stichwort Blues: Oft hört man den Begriff der so genannten „Blues-Pentatonik“, der sprachlich prinzipiell Quatsch ist. Wie bereits erwähnt, weißt eine Pentatonik fünf verschiedene Töne auf. Durch das Hinzufügen der Bluenote, in Moll die verminderte Quinte, in Dur die kleine Terz, zur jeweiligen Skala entsteht eine Tonleiter mit sechs verschiedenen Tönen. Die Bluestonleiter ist somit eine Kombination aus Dur- oder Moll-Pentatonik und Bluenote. Über einen Standard-Blues in A-Dur lässt sich traditionell auch gerne abwechselnd mit der Dur- und der Moll-Pentatonik spielen. Spielt zum Beispiel mal die ersten zwölf Takte die Moll-Pentatonik und wechselt im nächsten Durchgang zur Dur-Pentatonik.
... für Feinschmecker ...
Unsere Moll-Pentatonik ist aber nicht nur für Blues und dreckigen Rock besonders interessant. Auch in der modalen Musik oder in Jazz-Standards weiß der richtige Einsatz der Lieblingstonleiter aller Gitarristen, Solos zu veredeln. Durch das gezielte Abfeuern der Moll-Pentatonik von einem eigens auf den Hintergrund-Akkord abgestimmten Grundton lassen sich spielend leicht die auf den ersten Blick komplizierten Kirchentonarten erzeugen. Spielt man etwa eine A-Moll-Pentatonik über einen A-Moll-Akkord entsteht der klassische Mollklang wie man ihn kennt und liebt. Wechselt man allerdings zur H-Moll-Pentatonik entsteht ein dorischer Klang. Die Kombination aus den gespielten Tönen der Pentatonik und dem gleichzeitig klingenden Akkord erzeugt den jeweils gewünschten Klang. Hier findet ihr eine übersichtliche Darstellung über besonders effektive Abkürzung zum jeweiligen Modus:
Mit dieser Methode lässt sich mit Leichtigkeit der charakteristische Sound der Modi aus dem Ärmel schütteln, ohne neue Fingersätze lernen zu müssen. Einzige Vorraussetzung ist die auditive Gewöhnung an die jeweilige Kirchentonart. Von dem übermäßigen Gebrauch bereits gelernter Licks und Figuren ist allerdings abzusehen, da es sonst zu Verfälschungen des gewünschten Sounds kommen kann. Startet auch gerne einmal von einem anderen Ton als dem angegebenen und beobachtet was passiert. Wie auch sonst in der Musik gilt hier: "Probieren geht über Studieren!"
... und als Wurmloch
Zu guter Letzt lässt sich unsere Pentatonik auch als Verbindung verschiedener Tonleitern benutzen. Spielt ihr zum Beispiel über eine längere Strecke über einen A-Moll-Akkord, könnt ihr ausgehend von der Moll-Pentatonik abwechselnd Abstecher in das Dorische, Aeolische oder gar Phrygische unternehmen. Kehrt ihr regelmäßig zur klanglichen Basis der Moll-Pentatonik zurück, vermeidet ihr den Eindruck künstlich bemühter Klangmalerei. Das Solo bleibt also schön organisch und natürlich, wird aber um die etwas Würze erweitert. Ein Meister dieser „tonalen Wurmlochreisen“ war Randy Rhoads. Er warf nach feinstem Klassik-Prinzip alle Mollskalen in einen Topf und bediente sich daraus. Die entstandene Tonleiter nennt man im klassischen Jargon "Molltonikaleiter".
Text: Lukas Lautenbacher